Geschichte des Hessensternfluges

50. Hessensternflug / 1961 - 2010  ...ein Rückblick  

Der Hessensternflug feierte im Jahr 2010 ein rundes Jubiläum: Zum 50. Mal wurde der größte Motorflugwettbewerb des Hessischen Luftsportbundes e.V. ausgetragen. Wie beim 1. Sternflug anlässlich des 11. Luftfahrertages am 11. März 1961 war Darmstadt das Ziel. Anders als vor 49 Jahren konnten die Sternflieger diesmal aber tatsächlich in der südhessischen Metropole landen - Dank einer Sondergenehmigung des Regierungspräsidenten in Darmstadt. Anno 1961 war dies noch nicht möglich, da sich der älteste deutsche Flugplatz in Griesheim damals in amerikanischer Hand befand und die Zeit damals für zivile deutsche Flugwettbewerbe knapp sechs Jahre nach der Wiederzulassung der Luftfahrt in Deutschland noch nicht reif war.

Hier nun ein Rückblick auf 50 Hessensternflüge. Die Texte und Fotos stammen aus dem Programmheft des 50. Hessensternfluges, das im Mai 2010 veröffentlicht wurde. Für das Internet der Rückblick um weitere Bilder und Textbeiträge ergänzt. (Text und Dokumtation: Wolfgang Brauer)

Wie alles anfing

Briefing beim 1. Hessensternflug 1961: Am Mikrofon Anselm Nack, daneben die beiden Sportausschussmitglieder Adalbert Wozniwski (links) und Hermann Schröter (rechts).

Kaum fünf Jahre nach der Wiederzulassung des Motorflugs in der Bundesrepublik Deutschland hatte es gerade zwei Deutschlandflüge und einen Europaflug gegeben. Der 11. Deutsche Luftfahrertag des Deutschen Aero-Clubs war Anlass für HLB-Motorflugreferent Anselm Nack, unterstützt von Hermann Schröter und Adalbert Wozniwski, am 11. März 1961 einen eigenen Programmpunkt der Motorflieger zum Luftfahrertag beizusteuern. Der Hessensternflug war geboren. Vorbild waren die Deutschland- und Europaflüge. Eine Navigationsstrecke mit Bildern musste abgeflogen, Zeitüberflüge und Ziellandungen absolviert und von jeder Besatzung über dem Heppenheimer Flugplatz ein Wimpel abgeworfen werden. Listige Aufgaben hatte sich Anselm Nack schon damals ausgedacht.

Ziellandung beim 1. Hessensternflug in Egelsbach

Mithilfe der Bundeswehr hatte er während des Wettbewerbs mehrere Soldaten mit ihren Jeeps in Marsch gesetzt, die nach genauem Zeitplan die Tücher der zu erkennenden Zeichen zu neuen Figuren umlegen mussten. Und auch die Navigationsaufgabe war gemein. Auf der ersten Strecke lag das Lorscher Rathaus.

Das zum verwechseln ähnliche Heppenheimer Rathaus aber, das erst auf einer späteren Strecke lag, war auf einem Foto abgebildet. „Da haben die alle gedacht, wunderbar, das für die Wertung genommen und das andere, da haben die gar nicht mehr geguckt,“ erinnert sich Anselm Nack Jahrzehnte später noch lächelnd. Tatsachlich kann selbst ein Betrachter am Boden kaum einen Unterschied zwischen beiden Rat­häusern erkennen. Sie unterscheiden sich nur durch die Form der Uhr im Rathaus und den Stufen zur Eingangstür.

„War es nun das Heppenheimer Rathaus in Lorsch oder das Lorscher Rathaus in Heppenheim?“ las Gerd Maier, der Chef der Flugstaffel des Verlagshauses Burda, am Abend beim Flieger­ball aus einem fiktiven Telegramm der legen­dären Flieger-Fabelfigur Frau Bröseke vor. Die Diskussion der 54 teilnehmenden Besatzungen des ersten Hessensternfluges zog sich bis in die Nacht hinein.

Siegerehrung beim 1. Hessensternflug: Westhäuser (Sieger) Anselm Nack, Schwarz, Schäfer und Fehl (2. Platz)

Teil des Festes der Hessen

Bereits der 2. Hessen-Sternflug 1962 begründete dann bereits eine zweite Tradition, die der größte hessische Motorflugwettbewerb viele Jahre begleitete. Auf Bitten der Hessischen Landesregierung wurde der Hessen-Sternflug erstmals in Michelstadt im Odenwald ein Programmpunkt des „Festes der Hessen“, dass dieses Jahr ebenfalls sein 50. Jubiläum feiert. Elf Mal wurde der Hessensternflug in der jeweiligen Hessentagsstadt oder auf dem nächstgelegenen hessischen Flugplatz ausgeflogen. Deshalb waren die Hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn und Albert Oswald mehrmals Gast beim Fliegerball und nahmen die Siegerehrungen vor. Auch das 450. Universitätsjubiläum in Marburg (1977), die Bundesgartenschau in Kassel (1981), sowie mehrere runde Jubiläen von hessischen Flugsportvereinen waren Anlass für den HLB, den Hessensternflug in der jeweiligen Stadt bzw. auf dem jeweiligen Flugplatz enden zu lassen.

Der Hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn (rechts) erstmals beim Hessentag und 2. Hessensternflug in Michelstadt. Daneben sein persönlicher Referent Winfried Raabe (links) und Anselm Nack.

Fotos vom 6. Hessensternflug anlässlich des 6. Hessentages in Friedberg. (Bildquellen: Stadtarchiv Friedberg und Wilhelm Nau)

Förderer und Sponsoren

Ein weiterer Höhepunkt in nunmehr 49 Jahren Hessensternflug-Geschichte war sicher der 25. Flug 1985 nach Mainbullau mit anschließendem Empfang im Schloss Amorbach durch Emich Fürst zu Leiningen, seit Anbeginn wesentlicher Förderer der Hessensternflüge. Zum Besuch im Schloss gehörte damals auch ein Orgelkonzert in der bekannten Schlosskirche. Schon beim ersten Sternflug sorgte der Fürst als begeisterter Flieger und Mitglied der Jury dafür, dass die Veranstaltung für die damals noch unerfahrenen Ausrichter nicht zu einem finanziellen Fiasko wurde. Tatkräftige Unterstützung leistete viele Jahre auch Udo Schulz-Lefévre, früher Vorstandsmitglied der Eichbaum-Brauerei in Mannheim. In den Anfangsjahren hatte der Hessen-Sternflug auch immer wieder Unterstützung durch die Bundeswehr, namentlich durch die Heeresflieger in Fritzlar erfahren. Und nicht zu vergessen: Sechs Mal war auch der nordhessische Heizungs-Produzent Viessmann mit seinem Werksflugplatz in Allendorf (Eder) Gastgeber der Hessensternflieger als Zielflugplatz.

Emich Fürst zu Leiningen, Anselm Nack und Eilika Fürstin zu Leiningen (von Links nach rechts) beim Hessensternflug 1985 auf dem Flugplatz Mainbullau

Sechs Mal war der Werksflugplatz der Viessmann GmbH und Co KG Ziel des Hessensternfluges

50 Hessensternflüge

9. Hessensternflug 1969 in Fritzlar

Es gab auch dunkle Punkte in der Sternflug-Historie und -Statistik. Ausgefallen ist der Wett­bewerb zwar nie, schlechtes Wetter führte aber mehrfach dazu, dass der Sternflug verspätet gestartet wurde, Aufgaben ausfielen oder Flieger während des Wettbewerbs abbrachen und umkehrten. Aber Sicherheit geht nun mal vor! So 1980 beim Jubiläumsflug nach Darmstadt-Griesheim, wo nur eine Handvoll Flugzeuge landen konnte.

Viele Teilnehmer reisten aber noch mit dem Auto an und lösten theoretische Aufgaben. 1984 musste der Start des Wettbewerbsfluges kurzfristig nach Lützellinden verlegt werden, weil die Grasbahn in Marburg-Schönstadt nach tagelangen Regenfällen unter Wasser stand. 1996 kehrten viele Flieger kurz vor Kassel wegen einer geschlossenen Wolkendecke über Nordhessen wieder um. Gewertet werden konnte der Hessensternflug nach FAI-Regeln aber immer, weil wenigstens 20 Prozent der gemeldeten Flieger teilgenommen hatten.

Siegerbesatzung 1976: Friedhelm Siebert und Helmuth Wehr neben Anselm Nack (von rechts nach links)

Einen tödlichen Unfall gab es 1974. Das Wetter war nicht gut, die Navigationsaufgaben wurden deshalb gestrichen und die Hessensternflieger sollten nur auf dem beim Briefing angegebenen Kurs von Kassel nach Fritzlar fliegen. Alle hielten sich daran, nur eine Besatzung nicht. Die Piloten aus Mosbach prallten in der Nähe von Kassel gegen einen Berg. Gut zwei Jahre dauerten die Untersuchungen des Unglücks samt gerichtlichem Nachspiel.

Riskiert wird freilich von der Wettbewerbsleitung nichts! Sobald das Wetter nicht mitspielt, wird der Wettbewerb verschoben oder einzelne Aufgaben gestrichen. Ganz so vorsichtig scheinen allerdings nicht alle ehrgeizigen Rallye-Piloten zu handeln, wenn es um ihre Maschinen geht. Der Reporter der Flug Revue notierte 1982 bei der Sternflug-Ziellandung in Mosbach­Lorbach in seinen Block:

„Die Piloten setzen ihre Flugzeuge auf dem Landefeld auf, als wollten sie ihre Geräte zerstören: Nase hocherhoben, aufs Hauptfahrwerk fallen lassen. Es quietscht und rummelt. Keiner will einen Meter oder einen Punkt bei der Ziellandung ver­schenken.“ Und unmöglich ist es nicht, die maximale Punktzahl zu erreichen. So die Besatzung Otto Höfling/Michael „Mike“ Amtmann beim 25. Hessensternflug. Und Roland Husemann und Sturmy Westerbarkey verfehlten die magische Marke 1989 nur um einen Punkt! Auch heute, wo nur noch Strafpunkte für Fehler vergeben werden, ist das Malus der Besten zweistellig.

Siegerehrung 1986 in Kassel-Calden: Ausgezeichnet wurde - wie so oft in den 80er und 90er Jahren - der Flugsportclub Aschaffenburg als bester Verein. Im Bild: Anselm Nack, Otto Höfling, Axel Maurer, Michael "Mike" Amtmann sowie Christiane Collin und Helga Abel von der Deutschen Lufthansa (von links nach recht).

Am Grundkonzept des Hessensternfluges hat sich bis heute nichts geändert: Die Flieger aus Hessen und dem ganzen Bundesgebiet sammeln sich an einen Flugplatz. Von dort aus geht es auf die Navigationsstrecke, ein vorgegebener Kurs ist sekundengenau einzuhalten, Bilder sind zu erkennen und Ziellandungen zu absolvieren. Von einigen Programmpunkten, wie dem Abwerfen von Wimpeln, Erkennen von Zeichen aus der Luft und dem Lösen von theoretischen Aufgaben aus dem Prüfungskatalog haben sich die Organisatoren allerdings getrennt. Auch auf die die Wettbewerbsflugzeuge stark beanspruchenden Zeit-Ziellandungen, bei denen auf die Sekunde genau in einem fünf Meter langen Feld auf der Landebahn aufgesetzt werden musste, verzichtete die Wettbewerbsleitung nach einigen Jahren wieder.

Verändert hat sich bei 50 Hessensternflügen auch die Organisation. Früher war es nötig, dass Helfer-Teams mit dem Auto zu bekannten oder unbekannten Zeitnahmen herausfuhren, dort Zielbänder auslegten und mit einer mechanischen Stoppuhr die genaue Überflugszeit nahmen. In Zeiten von GPS und Loggern ist ihre Arbeit überflüssig geworden. Nach der Landung der Wettbewerbsteilnehmer lässt sich heute der exakte Kurs sekundengenau am PC der Wettbewerbsleitung ablesen.

Beste Mannschaft 1990

Vorbei auch die Zeit, als die Auswerter jeden Lösungsbogen von Hand auswerteten, die Punkte mit Rechenmaschinen addierten, Zeiten zusammenzählten und in stunden­langer Kleinarbeit die Sieger­besatzung ermittelten. Wenn der Sternflug wegen schlechten Wetters verschoben wurde oder sich Fehler oder Unstimmigkeiten einschlichen, stand das Endergebnis mehr als einmal erst kurz vor Mitternacht fest. Heute erledigt die Auswertung ein Computer­programm vom früheren Hessensternflug-Teilnehmer und mehrfachen Sieger Mike Amt­mann. Allerdings läuft selbst heute – trotz moderner Technik – die Auswertung nicht immer reibungslos. Auch Computer-Programme haben ihre Tücken!

Wenn man es ganz genau nimmt, stimmt auch der Name Hessen-Sternflug seit den 80er Jahren nicht mehr ganz. Zehnmal waren Flugplätze außerhalb von Hessen der Endpunkt des Wettbewerbs. Immer wieder wurde auch auf Plätzen in den benachbarten Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Thüringen gestartet sowie zwischen- oder zielgelandet. Der Hessensternflug war zwischenzeitlich zu einem der schwierigsten Wettbewerbe im Motorflug in Deutschland geworden.

Briefing 1994 in Oppenheim. Im Bild Inge Nack, Anselm Nack und Christa Schreiner (von links nach rechts)

Nachdem der Initiator und „Erfinder“ des Hessensternfluges, Anselm Nack 35 Jahre lang als Motorflugreferent des Hessischen Luftsportbundes e.V. den alljährlichen Flugwettbewerb geleitet hat, gab er diese Aufgabe 1996 an Heinrich Kruse ab. Ihm folgte als Organisator des Hessensternfluges 2005 Werner Lindner. Seit 2007 ist Karl-Heinz „Kalle“ Bender als hessischer Motorflugreferent für den Hessensternflug verantwortlich. Alle drei haben die Idee und das Konzept von Anselm Nack verfeinert und weiterentwickelt.

Freilich sind in den letzten Jahren der Zeitgeist und die Verdänderungen im Motorflugsport sowie auch die steigenden Sprit-Preise am Hessensternflug nicht spurlos vorübergegangen. Die Zahl der Teilnehmer, die in der Hoch-Zeit der Flugrallyes in den 60er und 70er Jahren bei weit über 50 Teilnehmern lag, konnte in den letzten Jahren nicht mehr erreicht werden. „Trotzdem soll der 50. Hessensternflug nicht nur ein wehmütiger Blick in die Vergangenheit sein,“ erklärt HLB-Motorflugreferent Karl-Heinz Bender. „Mit dem besonderen Ziel Darmstadt-Griesheim wollen wir wieder Rallye-Piloten aus ganz Deutschland nach Hessen einladen, sich im sportlichen Wettbewerb zu messen. Wie bisher wollen wir aber auch Neulinge und junge Motorflugpiloten und natürlich auch -pilotinnen durch spezielle Wettbewerbsseminare für den Rallyesport begeistern. Denn die Teilnahme an Wettbewerben wie dem Hessensternflug schult die Piloten – und das ist schlussendlich auch aktive Flugsicherung. Dazu hat der Hessensternflug seit 1961 entscheidend beigetragen,“ so „Kalle“ Bender.                                      

Beste Damenbesatzung 1978

Der Hessensternflug im Spiegel der Presse

Zum 22. Hessen-Sternflug 1982 nach Mosbach-Lorbach schrieb „FAZ-Edelfeder“ Dieter Vogt, der privat ein begeisterter Sportflieger ist und mehrere Jahre zu den Mitorganisatoren des Hessensternflugs gehörte, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

„Man braucht: einen Luftfahrerschein, eine Sportlizenz, hundert PS unter der Haube, ein paar graue Zellen unter der Schädeldecke und 85 Mark auf dem Konto. Die 85 Mark überweist man als Meldegebühr dem Hessischen Luftsportbund und erhält dafür eine Postkarte, darauf in zierlicher Handschrift geschrieben steht: Lützellinden 11.08 Uhr. Sportflieger, die einem Wettbewerb entgegenfiebern, lesen solche Karten mit der glei­chen Freude und Verzückung, als habe ihnen die angebetete Frau einen Zettel mit den Worten ‚Samstagabend’ zugesteckt.“

An dieser Nenngebühr hat sich bis Anfang der 90er Jahre übrigens nichts geändert. Seitdem wurde sie ganz langsam und jeglicher Inflation zum Trotz in der DM-Zeit nur bis auf 120 Mark pro Person angehoben. Beim Hessen-Sternflug 2009 betrug sie 60 Euro pro Mannschaft (also weniger als zu D-Mark Zeiten) und wird nun im Jubiläumsjahr sogar auf 50 Euro (anlässlich des 50. Hessensternfluges) pro Besatzungsmitglied gesenkt! Beim ersten Hessensternflug anno 1961 lag die Nenngebühr allerdings bei nur 15 D-Mark, jeweils für Pilot und Copilot. Aber zurück zum Zeitungstext von Dieter Vogt:

 „Eine halbe Stunde vor dem Start zwängt sich alles in die engen Cockpits und nimmt den verschlossenen Umschlag mit den vermutlich hundsgemeinen Aufgaben entgegen. In der Klausur beginnt ein wildes Rechnen, Zeichnen, Fluchen, da werden Karten entfaltet, Wendepunkte eingetragen, Computer befragt und am Ende doch die rechtsweisenden Windkurse mit den missweisenden Kompasskursen verwechselt. Lächelnd wie eine Sphinx, die alles weiß und nichts sagt, schreitet draußen Anselm Nack, der Motorflugreferent, vorbei und wünscht gutes Gelingen.“

 „Abgekämpft reich en die Flieger ihre Unterlagen aus dem Cockpit. Die Wettbewerbsleitung zieht sich zurück, um Sieger und Verlierer zu scheiden. Die Besten können von sich sagen, sie hätten 793 von 800 Punkten geschafft. Die Schlechtesten können von sich sagen, sie seien dabei gewesen. Wer fliegt denn schon der blöden Punkte wegen. Wettbewerbe würzen die Fliegerei, auch wenn sie manchem Flieger den ganzen Tag versalzen. Und so gehen die Diskussionen der Experten, Wettbewerbsflieger und Neulinge bei jedem Hessensternflug nach der Siegerehrung bis weit nach Mitternacht weiter.“

Der Hessen-Sternflug kommt in die Jahre

Erinnerungsteller

Erinnerungen

Zum Hessensternflug gehören seit Anbeginn auch die Erinnerungsgaben: Anfangs waren es formschöne Medaillen, die die Sehenswürdigkeiten der Zielstadt zeigten. Ihnen folgten Zinnbecher und eine Zinnkanne, dann Becher aus Steingut und – wie es sich für Hessen gehört – ein Bembel für das hessische Nationalgetränk, den Äppelwoi. Ihn gab es zum 30. Hessensternflug für langjährige Teilnehmer. Ein Bierkrug wurde nur einmal (1992) ausgegeben.

Dem nützlichen Geschirr folgten mehr als ein Jahrzehnt lang Teller mit einem Motiv der jeweiligen Ziel-Stadt. Alle Teller waren vom Odenwälder Künstler Wilhelm Weller von Hand gemalt. Aus Altersgründen musste der Porzellanmaler Weller die Produktion der Hessensternflug-Gaben allerdings 2005 aufgeben.

Ohne Helfer geht es nicht

Zeitnahme beim Hessensternflug vor dem Logger-Zeitalter

 

Samstagmorgen, 6.30 Uhr. Es ist Tag des Hessensternflugs. Das Auto ist abfahrbereit und voll bepackt: 20 Meter Zielband aus weißer Plastikfolie (die normalerweise als Tischdecke in Bierzelten dient), Metallstäbe zum Beschweren (damit das Zielband nicht wegfliegt), Funkgerät, Fernglas, spezielle Chronometer, Funkuhr, Schreibplatte, Campingstuhl und Kühltasche mit Proviant und Getränken. Es geht los zur Zeitnahme irgendwo in der Pampa in Hessen.

Franz-Josef Collin in Aktion: Viele Jahre organisierte er die Hessensternflüge und arbeitete die Rallye-Route aus.

Knapp 90 Minuten Fahrt zum Start-Flugplatz: Zuerst müssen dort noch die letzten Informationen von der Wettbewerbsleitung eingeholt werden. Es gibt einige Änderungen, die die wochenlange Planung innerhalb von Minuten über den Haufen werfen. Die Listen für die Zeitüberflüge müssen schnell umgeschrieben werden. Dann geht es auch schon los zu einer Stelle unweit des Flugplatzes. Dort wird das Zielband ausgerollt und geduldig auf den ersten Sternflug-Teilnehmer gewartet. Die Überflugzeiten sind annehmbar. Schon bei diesem ersten Zeitüberflug trennt sich die Spreu vom Weizen.

Dr. Hans Schladetsch, Wilhelm Nau und Heinrich Kippel (von links nach rechts) vor einer Siegerehrung. Viele Jahre gehörten sie als Mitglieder des Sportausschuss Motorflug zu den Organisatoren des Hessensternflugs. Heinrich Kippel war dem Hessensternflug von 1964 bis 2009 als Helfer und Organisator verbunden. Er starb wenige Wochen nach dem 49. Hessensternflug, an dem er noch teilnahm.

Dann eine Meldung vom Tower über Funk: „Die Teilnehmer aus Fulda verspäten sich wegen schlechten Wetters.“ Also weiter ausharren, immer den Blick zum Himmel. Zwischendurch ein kurzer Regenschauer. Endlich, nach gut einer Stunde, die Meldung auf der Platz-Frequenz: „Hotel-Sierra 12 am Ablaufpunkt.“ Zwei Minuten später ist die rot-weiße Cessna über dem Zielband. Plus drei Sekunden. Das sieht gut aus. Nach dem letzten Überflug sofort das Zielband zusammengerollt und zum Flugplatz gefahren.

Kalle Bender liest den Logger von Helmut Bäder aus.

Dort sind schon längst alle Teilnehmer eingetroffen, diskutieren heftig über die Ziellandungen, freuen sich, alte Fliegerkameraden nach der langen Winterpause wieder zu sehen und laben sich am warmen Mittagessen, das die Frauen der Mitglieder des gastgebenden Vereins zubereitet haben. Doch dafür bleibt keine Zeit. Schon vor dem Briefing müssen die Helfer wieder aufbrechen. Eine Stunde Zeitverzug! Die Wettbewerbsflugzeuge brauchen nach dem Start bis zur geheimen Zeitnahme vielleicht 30 Minuten. Mit dem Auto dauert es mehr als drei Mal so lange.

Willi Nau, von 1966 bis 1999 als Zeitnehmer für den Hessensternflug unterwegs, hier in Bad Sobernheim bei einer besonders schwierigen Zeitnahme beim Hessensternflug 1998.

Aber es klappt. Ankunft knapp zehn Minuten vor dem ersten Überflug. Schnell das Band neben dem Feldweg ausgerollt, Funkgerät positioniert und Peilpunkte festgelegt. Da kommen auch schon die schnellsten Teilnehmer, fast auf die Sekunde genau. Doch je langsamer die Wettbewerbsflieger werden, um so länger die Zwischenpausen. Die werden aber durch die vielen landwirtschaftlichen Fahrzeuge „aufgelockert“, die ständig vorbei ziehen, dabei viel Staub aufwirbeln und uns, die Zeitnehmer, mit großen Augen anglotzen.

Klaus Märte (links) und Wolfgang Brauer 1995 bei der Zeitnahme am Zielband in der Nähe von Mainz-Finthen.

Nicht immer ist es ganz einfach, die oft in weitem Abstand vorbeifliegenden Maschinen zu identifizieren und ihre Zeit zu nehmen. Dann endlich sind alle Teilnehmer durch. Einpacken und schnell weiter zum Zielflugplatz. Dort sind die anderen Helfer schon dabei, die Bilderbogen auszuwerten. Fast lautlos fügen wir uns in den konzentrierten Prozess ein, geben unsere Daten ab, addieren, rechnen quer, finden Fehler, müssen neu beginnen.

Hermann Schröter, viele Jahre Mitglied des Sportausschuss Motorflug des Hessischen Luftsportbundes e.V. gibt die Umschläge mit den Aufgaben vor einem Wettbewerbsflug aus.

Jetzt ist es 20 Uhr. Anselm Nack begrüßt sicher gleich die Teilnehmer des Fliegerballs. Und wir von der Auswertung haben immer noch kein Endergebnis! Aber wir wollen ja auch nichts falsch machen, damit die Sieger des Hessensternfluges ordnungsgemäß gekürt werden können.

Dann endlich ist es soweit. Das Ergebnis steht fest, die Wertungslisten müssen noch vervielfältigt werden. Schnell um­zie­hen in der Toilette des Flugplatzes oder im Auto, damit wir Zeitnehmer und Auswerter nicht mit unserer staubigen „Arbeitskleidung“ in die Festversammlung platzen. Der Magen knurrt.

Inge Bunde, viele Jahre Geschäftsführerin des Frankfurter Vereins für Luftfahrt e.V., half bei zahlreichen Hessensternflügen mit.

Immerhin wurden beim Fliegerball Plätze für uns freigehalten. Ständig fragen uns Hessensternflieger, wie es denn ausgegangen sei. Wir wissen alles, doch wir schweigen eisern! Anselm Nack hat sich inzwischen mit der Jury zurückgezogen und berät das Ergebnis. Dann endlich die Siegerehrung. Es wird spannend, denn die beste Besatzung wird ganz am Schluss geehrt.

Noch Stunden nach der Preisverleihung diskutieren die Sternflieger die Fotos, die Strecke und die Ziellandungen. Langsam ziehen sich auch die Zeitnehmer, Auswerter und die anderen Helfer zu­rück. Es ist spät geworden – ein 20-Stunden-Tag. Es hat uns trotzdem viel Spaß gemacht! (Wolfgang Brauer)

Helfer des Flugsportvereins Neuwied malen das Landefeld für den Hessensternflug 2009 auf dem Flugplatz Dierdorf auf

 

 

Teilnehmer an 50. Hessensternflügen

Helmut Bädfer (links) und Gerhard Spreng: Über viele Jahre immer wieder Sieger bei Hessensternflügen

Wilhelm Diebtisch, Anselm Nach und Werner Lindner (von links)

Oscar Deppe (links) und HLB-Präsident Jens Plusczyk

Renate und Klaus Haage

Angelika und Ernst Neidhardt

Gerhard Fleischmann (links) und Arnold Grubek in Michelstadt

Astrid Ciesielski

 

 

Norbert Specht und Günther Stede

 

Viele Jahre Sieger: Otto Höfling und Michael Amtmann, zusammen mit HLB-Motorflugreferent Anselm Nack (von links)

Viele Jahe dabei: Ernst Neidhardt zusammen mit Tochter Jennifer

 

Die Organisatoren: die Motorflugreferenten Heinrich Kruise und sein Vorgänger Anselm Nack

Wilhelm Diebitsch (links) in Diskussion mit Norbert Specht über das Ergebnis

 

Zielorte der bisherigen Hessensternflüge

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[21/07/15]